Hallo Andreas
Nun will mich auch als Nutzer des Anycubic Photon S outen. Seit Anfang Jahr steht so ein Gerät bei mir in der Werkstatt. Nach anfänglicher Skepsis kam die Euphorie und dann die Ernüchterung. Inzwischen habe ich mehr als ein Liter Harz verdruckt, gefühlt mehr als die Hälfte für Stützkonstruktionen. Nun aber alles der Reihe nach.
Das Thema 3D-Druck beschäftigt mich seit wohl bald 20 Jahren, keine Ahnung. Die erste Anwendung waren Urmodelle für Gussteile. Der Versuch, direkt Bauteile für den Eisenbahnmodellbau scheiterte damals an der Auflösung und der Festigkeit. Habe noch lebhafte Erinnerungen an die wabbligen Musterteile eines Bremsbühnengeländers für ein Spur 0m – Wagen. Wurde dann doch in Messing gegossen und verlötet.
Muss so um das Jahr 2008 gewesen sein, da habe ich das erste Mal Metallteile drucken lassen. Eine Bronce-Legierung, verschiedene Teile. Fazit damals: schweineteuer und qualitativ nicht das, was mir vorschwebte. Zwischendurch mal ein Drehgestell bei einem einschlägigen Dienstleister als SLA-Druck drucken lassen. Sieht (immer noch) sehr gut aus, war perfekt passgenau und schlappe CHF 1000.- nur für den Druck. Das war es dann auch wieder mit dem 3D-Druck. Abgesehen von Urmodellen für den Messingguss, da wird inzwischen der direkte Wachsdruck angewendet.

Mit dem Projekt der Spur modernen N – Modelle kommt auch der Bedarf an aktuellem 3D-Druck wieder auf. Zwei neue Anläufe für das Metalldruckverfahren später: ja, das könnte was werden, aber nur für Spur N. Und auch die ersten Versuche mit farbigem 3D-Druck sind spannend, Inneneinrichtungen in Spur N aus dem Drucker direkt in den Wagen. Nicht ganz günstig, dafür ohne einen Pinsel anzufassen.

Die Frage nach einem eigenen 3D-Drucker scheiterte immer an den Kosten. Ein Filamentdrucker kommt mir nicht ins Haus, auch wenn der Kollege einen erstaunlich gut aussehenden Stall damit zaubert. SLS- und SLA-Drucker waren jedoch lange Zeit zu teuer. Das war die Skepsis, dann kam der Photon S. Seit Anfang Jahr habe ich damit viele Teile gedruckt. Die ersten zwei, drei Versuche kam gar nix, irgendein Fehler in der Nivellierung und den Druckzeiten. Gut, habe mich nie mit den Mustermodellen aufgehalten, sondern wollte direkt selber gezeichnete Modelle gedruckt sehen. Experimentiermasse gab es aus 20 Jahren 3D-zeichnen genug.
Erkenntnis Nr. 1: egal für welche Fertigungsmethode die Teile gezeichnet sind, für den 3D-Druck passt es meist nicht. Also Datenmodelle anpassen.

Ein grosses Übungsfeld waren die Y25-Drehgestelle in Spur 0. In einem ersten Schritt aus drei Teilen miteinander verschraubt, konnten sie mit Messingbüchsen und NEM-Radsätzen auf die Anlage. Bis zu dem Moment, als der erste Längsträger brach. Ok, das hart aushärtende Anycubic-Harz wird zu spröde. Mit einem weicher aushärtenden Harz konnte dann die Erfahrung gewonnen werden, dass sich die Teile immer (wirklich immer) beim Aushärten verziehen. Dank des weichen Aushärtens konnten die Achsen jedoch auch im zusammengebauten Zustand eingebaut werden. Also Drehgestelle am Stück konstruieren.

Das erste vollständig am Stück konstruierte Drehgestell war das „JMR 1960“, ein aus dem „Minden-Dorstfeld“ abgeleiteten Blattfederdrehgestell. Kam sauber aus dem Drucker, flugs Messingbüchsen und Achsen eingesetzt: läuft. Zwei, drei weitere ausgedruckt und dann sieht man: keines ist gleich, jedes hat einen leicht anderen Verzug. So viel zur Euphorie.
Erkenntnis Nr. 2: Der Photon S bzw. die damit produzierten Teile haben Verzug.
Inzwischen laufen die Abklärungen, die Drehgestelle bei einem Dienstleister auf der SLS-Anlage zu produzieren. Das hat (für mich) mehrere Vorteile: der SLS-Druck ist immer noch dauerhafter als SLA, die Drehgestelle kommen auch schon lackiert zu mir. Fehlen nur noch die Messingbüchsen und Achsen. Das Ganze hat natürlich wieder seinen Preis, rund CHF 150.- für ein Paar Drehgestelle werden es im Bauteil-Shop dann sein. Dafür mit vollständiger Bremsausrüstung. Und der 3D-Druck ermöglich kleine Serien mit individuellen Anpassungen, so dass auf Kundenreaktionen und Unterschiede in den verschieden Bauserien eingegangen werden kann. Doch das gehört nun wirklich nicht mehr hierher.
Was mache ich nun mit meinem Photon S? Prototypen, Muster und kleine Bauteile, bei denen der Verzug nicht gross stört. Allerdings zeigte sich auch, dass die Photon-Drucke nicht nur Verzug haben, sondern wohl auch leicht schrumpfen. Zumindest hat es bei einem der Musterdrehgestelle mit eingebauten Messingbüchsen drei von vier Achslager gespalten.

Erkenntnis Nr. 3: Die mit dem Photon S produzierten Teile haben offenbar leichten Schwund.
Fazit: der Photon S wird für mich ein Werkzeug für den Prototypenbau bzw. Musterbau bleiben. Der Traum von günstigen Teilen im 3D-Druck ist vorläufig (wieder) ausgeträumt. Andererseits: die Entwicklung in den verschiedenen 3D-Drucktechnologien läuft immer noch rasant vorwärts. Möglicherweise steht in ein paar Jahren irgendein Nachfolgesystem des Photon S bei mir in der Werkstatt und produziert Serien.
Viel Erfolg und Spass bei den eigenen Experimenten.
Gruss Andreas