Anlagen, die es nicht mehr gibt (I): Spur 0 im Bochumer Brückenbogen


  • Es gab in Deutschland schon einige schöne Spur-0-Anlagen, die mittlerweile nicht mehr existieren. Nach und nach möchte ich Euch ein paar wirklich sehenswerte, aber abgebaute Anlagen vorstellen. Die Aufnahmen stammen von meinen Besuchen dort und sollen Euch einen Einblick in den damaligen Stand der Spur 0 geben, denn diese Anlagen sind alle vor Erscheinen der Lenz-Modelle entstanden und meistens auch vor mehr als 20 Jahren schon abgerissen worden.


    Spur-0-Anlagen kennt man eigentlich in verschiedenen Stadien: In der Planung, im Bau und schließlich statisch, also fertig. Bei manchen Anlagen ist die Zeit zwischen den einzelnen Stadien manchmal sehr lang, aber wenn die Anlage fertig ist, dann bleibt sie so, wie sie fertiggestellt wurde. Und dann gibt es selten Spur-0-Anlagen, die die echte Eisenbahn in der Jetztzeit darstellen – so wie die heute vorgestellte Anlage. Diese Anlage wurde eigentlich nie fertig, weil die Erbauer und Betreiber diese Anlage immer an die Begebenheiten der Eisenbahn im Maßstab 45:1 angepasst haben, sie wurde in Epoche IV gebaut und glitt einfach über die Epoche V in die Epoche VI!


    Doch wovon rede ich gerade? Es war Ende der 60er Jahre, als sich in Bochum ein paar Freunde zusammentaten, um eine stationäre Spur-0-Anlage zu bauen. Zuerst wurde ein kleinerer Bahnhof gebaut und später, als der große Anlagenraum zur Verfügung stand, wurde dieser in die neue große Anlage integriert. Irgendwann in den 70ern bestand für die vier Freunde die Möglichkeit, ein leerstehendes Brückengewölbe unter der DB-Strecke Bochum Hbf - Bochum Riemke (später Bochum Nokia) zu mieten. Dieses Gewölbe war etwa 11 x 11 m groß und leider ungeheizt.


    In diesem Gewölbe wurde dann eine große Anlage gebaut, die ich erstmals Mitte der 80er Jahre besuchen konnte. Thema der Anlage war der Kopfbahnhof Oberstdorf (hier hieß er Oberhofen) samt Nebengleise, Bw und Abstellgleise. Ergänzt wurde diese Anlage durch einen Schattenbahnhof mit integrierter Kehrschleife und dem schon fertigen Nebenbahn-Bahnhof.



    Der Gleisplan



    Der Betrieb gestaltete sich vielfältig. Aus dem Kopfbahnhof konnte nur in eine Richtung ausgefahren werden. Aber am folgenden Tunnelportal konnte gewählt werden, ob nur in einer Kehrschleife der Weg zurück eingeschlagen wurde oder ob eine eingleisige Ringstrecke befahren wurde. In der Kehrschleife waren zu zusätzliche Abstellgleise integriert. Die Ringstrecke führte erst durch den Nebenbahnhof und dann durch eine dreigleisige Abstellgruppe. Weiter ging es unter dem Kopfbahnhof, um dann parallel zur Abstellgruppe des Kopfbahnhofs aus dem Untergrund aufzutauchen. Dann ging es durch das Tunnelportal weiter, entweder zur Kehrschleife oder wieder in die Ringstrecke.



    Als ich diese Anlage das erste Mal besuchte, waren die vier Freunde mit der Steuerung und dem Betrieb der Anlage beschäftigt. Aufgrund der unterschiedlichen Interessen waren die Anlage und die Fahrzeuge in einem sehr vorbildlichen Zustand. Ein Gleisbildstellwerk steuerte Weichen und Lichtsignale, welche ein korrektes Signalbild zeigten. Die Lokomotiven fuhren analog, eine Trix-EMS-Steuerung wurde eingebaut, um den Rangierloks eine fernsteuerbaren Rangierkupplung zu geben. Die Fahrzeuge wurden mit Kadee-Kupplungen miteinander verbunden. Die in den Kopfbahnhof eingefahrenen Züge hielten auf einem magnetischen Entkuppler an, die Kupplung öffnete sich und die Zuglok zog zum Prellbock vor. Nun kam die Rangierlok, welche sich hinten an den Wagenpark setzte und selbigen in die Abstellgruppe zog. Dort kuppelte die Rangierlok mittels Fernsteuerung ab.



    Blick über die Abstellgruppe



    Eine Rangierlok kommt mit Postwagen vom Postbahnhof



    Vorbildgerechte Weichenstraße



    Blick in den Kopfbahnhof Oberstdorf mit IC am Bahnsteig mit alten Empfangsgebäude



    Das im Text erwähnte Tunnelportal mit selbstgebautem Silberling-Steuerwagen



    Ein kleines Diesel-Bw gefiel mir besonders gut. Erst im zweiten Blick fiel mir auf, dass es auf dieser Anlage keine Dampfloks gab! Das war passend und stimmig, denn die Anlage "spielte" ja in den 80er Jahren.



    Blick ins Bw in Epoche IV



    Blick in den Lokschuppen



    Der Schienenbus unterfährt unweit des Tunnelportals die Strecke vom Kopfbahnhof


    Blick über den Nebenbahnbahnhof


    Der Güterschuppen am Nebenbahnhof


    Hinter dem Güterschuppen hat die Bahnmeisterei ihre Gleise



    An Fahrzeugen kamen umgebaute Kunststoffmodelle, angepasste Kleinserienmodelle und Eigenbauten zum Einsatz. Eine besondere Herausforderung waren aber die Reisezugwagen: Im Modell gab es nur D-Zug-Wagen von Rivarossi, alles andere, was benötigt wurde, musste selbst gebaut werden. Also baute einer der vier Silberlinge, Packwagen, Speisewagen, Postwagen usw. selber! 1990 gab es dadurch einen InterCity in realistischer Zugbildung. Später kam dann ein InterRegio dazu, auch Doppelstock-Wagen rollten über die Gleise. Letztlich wurde der IC auf die aktuellen Farben umlackiert. Auch die Farben der Triebfahrzeuge wurden der Entwicklung angepasst, neue Loks und Triebwagen ergänzten den Fuhrpark, alte Loks wurden wie beim Vorbild ausgemustert und nicht mehr eingesetzt.



    Ein IC in Epoche V kommt aus dem Tunnelportal


    Weiter geht es nun im zweiten Teil.

    Spur 0 - was sonst?

    Edited once, last by EsPe ().

  • Weiter geht es mit der Anlage im Brückenbogen.


    Blick aus Richtung Stellwerk über die Abstellgruppe


    Das Bw mit neueren Fahrzeugen


    Bw mit Atmosphäre!


    Ein Wendezug schiebt von der Abstellgruppe in den Kopfbahnhof


    Feine Details in den Bahnanlagen


    Ein Güterzug "taucht" auf der Ringstrecke fahrend neben der Abstellgruppe auf


    Das Spurplan-Modell-Stellwerk


    Eine Köf fährt zum Kopfbahnhof, um einen Wagenpark "abzuziehen"


    Der Postbahnhof


    Schöne Details im Postbahnhof


    Der Güterschuppen, im Hintergrund der Kopfbahnhof



    Aber nicht nur die Fahrzeuge wurden kontinuierlich angepasst, auch die Anlage selbst wurde umgebaut. Ursprünglich war bspw. das Empfangsgebäude nach dem Zweckbau des Bahnhofs Oberstdorf gebaut worden. Irgendwann in den späten 90er wurde es dann durch ein anderes Gebäude mit einer Halle über dem Querbahnsteig ersetzt.


    Blick über den Kopfbahnhof mit neuem Empfangsgebäude


    Die kurze Bahnsteighalle


    Ein moderner Triebwagen im Kopfbahnhof


    Auch ein Betrieb im Dunkeln ist Dank Beleuchtung möglich gewesen


    Vorbildgerecht wirkende Bahnsteiganlage



    Leider reduzierte sich die Zahl der Betreiber im Laufe der Jahre. Als dann der Vertragnehmer des Brückenbogens verstarb und es Schwierigkeiten gab, den Mietvertrag durch die Verbliebenen weiter zu führen, war das Ende der Anlage gekommen. Sie musste demontiert werden. Dafür wurde sie verkauft, zerlegt und abtransportiert. Mir ist nicht bekannt, ob diese wirklich schöne Anlage jemals wieder aufgebaut wurde. Schade!


    Einfahrsignal des Nebenbahnbahnhofs


    Güterzug fährt in den Nebenbahnbahnhof ein


    Stellwerk des Nebenbahnbahnhofs


    Nebenbahnhof in Epoche V


    Soviel zu dieser wirklich sehenswerten und beeindruckenden Anlage im Bochumer Brückenbogen.


    Freundliche Grüße

    EsPe

  • Schöne idee, diese Anlagen vorzustellen.


    Wenn ich ergänzen darf: Diese Anlage im Brückenbogen wurde auch in der MIBA 12/1982 vorgestellt.

    Der Gleisplan wurde nochmal recycelt im Sonderheft 88 Gleisplan-Vorschläge.


    Gruß,

    Ralf

  • Das war eine tolle Anlage, die hätte ich gern mal live gesehen. Das MIBA Heft 12/82 habe ich aufgehoben und schaue mir bestimmt einmal im Jahr diesen Bericht wieder an. Dadurch wurde mein Interesse an der Spur 0 geweckt, aber es dauerte dann doch noch 10 Jahre bis ich endlich damit angefangen habe.

    Vielen Dank für diese schöne Erinnerung sagt

    Meinhard,
    der wohl immer noch nördlichste Nuller Deutschlands

  • Danke für deine Anlagen-Vorstellung! Ich bewundere die Pioniere, die mit viel Enthusiasmus und Selbstbau so eine tolle Anlage erstellt und betrieben haben. Alleine der Gleisbau muss ewig gedauert haben...


    Gruß stahlone

  • Vielen Dank EsPe für die tollen Fotos,


    auch bei mir werden da Erinnerungen an das Jahr 1994 wach, als ich die Gelegenheit hatte, die Anlage zu besuchen. Ich möchte daher noch ein paar eigene Fotos beisteuern, die ich damals gemacht habe. Es war eine kleine Weltreise von Bayern ins Ruhrgebiet, die ich jedoch mit einem anderen Besuch verbinden konnte.


    Mich faszinierten schon damals mehrere Dinge an der Anlage:

    - ein sorgfältig ausgewähltes Vorbild

    - der perfekte Betrieb mit langen, "stimmigen" Reise- und Güterzügen

    - die Nachbildung der "Jetztzeit", also eine moderne Epoche ohne allgegenwärtige "Wurstkessel"

    - der Fleiß der Erbauer beim Bau individueller Fahrzeuge und Gebäude


    Wenn man weiß, wie wenig Material es damals für moderne Bahnen in 1:45 gab, ist die Leistung um so höher einzuschätzen. Gleichzeitig bin ich frustiert, wenn ich sehe, wie wenig Interesse an modernen Fahrzeuge bis heute besteht. Lange Reisezugwagen, Regio Shuttle, Doppelstock- oder Postwagen sieht man auf öffentlichen Treffen so gut wie nie. Wie die Bochumer Freunde ist man als Fan der Epochen 5 und 6 auch heute noch auf Selbst- oder Umbau angewiesen. Faszinierend, dass die Erbauer schon damals bei jeder Farbänderung des Vorbilds auch gleich ihren Fahrzeugpark umlackierten. Mancher Reisezugwagen hat so vier verschiedene DB Farben "erlebt".


    Noch der Hinweis, dass man sich beim geänderten Kopfbahnhof die DB-Anlage in Lindau am Bodensee zum Vorbild genommen hat, ebenfalls ein bayerisch-schwäbisches Vorbild. Für mich war diese Anlage neben dem aus Youtube bekannten Kreisverkehr durch "Bahnhof Delligsen" von Herrn Gotthelf für lange Jahre die Spur 0 in schönster Form. Anlagen, die in der Zeit nach den 1980er Jahren spielen, findet man leider bis heute nur selten. Sehr schade, wie ich finde.








    Da ich damals das Einverständnis der Besitzer zum Fotografieren bekommen hatte, möchte ich auch zwei der Spur 0 Künstler im Bild zeigen.


    Schönen Gruß

    Andreas

  • Danke EsPe für den Beitrag, beeindruckend, was die Kollegen damals auf die Beine gestellt haben. Die Wagenumbauten, die Gleise... Riesenrespekt. Schade, dass ich das damals nicht wusste, hätte ich mir gerne angeschaut.

    Matthias

  • Hallo EsPe,


    vielen Dank für den Beitrag. Da werden Erinnerungen wach an diese tolle Anlage, die ich auch einmal bedienen durfte. Früher waren wir regelmäßig im Brückenbogen zu Gast. Mein Vater nutzte die Anlage gerne, um neue Selbstbaufahrzeuge zu testen. Gerade der Bogen hinter dem Tunnel zum Abstellbahnhof hatte es in sich. Bei zu flotter Fahrweise gab es da gerne schon mal Wagensalat. ;) Aber auch die Rampe aus dem Schattenbahnhof rauf zwischen Abstellgleisen und dem Bw, welche den Güterzügen vorbehalten war, war eine Herausforderung...


    Leider habe ich meine Negative aus der Zeit zum größten Teil noch nicht gescannt. Ich kann im Moment nur mit diesen drei Aufnahmen dienen, die die von meinem Vater gebaute D 23 der Bentheimer Eisenbahn zeigen und im September 1994 aufgenommen wurden.









    Beste Grüße

    Andreas

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