Geschwindigkeiten beim Rangieren

  • Hallo in die Runde,


    mit einer Frage an die Betriebsbahner / Fachleute.


    Ich habe etwas im Forum gesucht, vielleicht nicht lange oder gut genug, jedenfalls bin ich nicht fündig geworden.

    Nachdem ich mal wieder auf der Anlage Platz geschaffen und genüsslich Betrieb gemacht habe, fragte ich mich, wie schnell wurde (früher, z. B. mit Dampfloks) beim Umsetzen gefahren, wenn die Lok auf dem Nachbargleis auf der anderen Bahnsteigseite vorbeifuhr und mit welcher Geschwindigkeit wurde bis kurz vor dem Ansetzen an die Puffer gefahren?

    Für die Einfahrt in Stumpfgleise gibt es entsprechende Vorschriften, aber wie ist das bei so einem Umsetzvorgang, da gibt es doch bestimmt auch etwas "für Rangierfahrten"?


    Vielen Dank vorab für ein paar Informationen.


    LG

    Günter

  • Hallo Günter,


    da Du ja eher in der Zeit der Bundesbahn zu verorten bist, habe ich mal in der DV 408 von 1972 nachgeschlagen, wobei sich die Grundsätze bis heute nicht verändert haben.



    Die in Absatz 2 (zu a) erwähnte Einzelfallbehandlung ist die im Bahnhofsbuch festzulegende "Ansage des freien Fahrweges" und wurde nur selten in ausgewählten Dienststellen durchgeführt (nur verkürzt erklärt!).


    Also im verkürzten Grundsatz, stets vor allen auch plötzlich auftretenden Hindernissen zum Halten kommen und nicht mehr als 25km/h.

    Möglicherweise haben jedoch sicher nur einige wenige Lokf nicht unbedingt immer diese Regelungen beachtet. ;)


    Mit besten Grüßen aus dem Bergischen


    Michael

    Preiswerte Dienstleistungen im Bereich spurgebundener Flurfördermittel aller Art und feinster Güte.


    www.vauhundert.de - Bergische Eisenbahngeschichte und mehr, wie die Marscheider Industriebahn in Spur 0, einer Stütze des wirtschaftlichen Erfolges in diesem idyllischen Bachtal.

    Edited once, last by vauhundert: Tipspfähler und Haftungsausschluß, das hier kein realer Betriebsdienst gelehrt wird ;-) ().

  • Hallo Günter


    Die Geschwindigkeit beim Rangieren ist, ein Fahren auf Sicht. Das heißt man muss vor jeglichen Hinternissen im Gleis zum Stehen kommen. Dabei ist die Höchstgeschwindigkeit auf 25 km/h beschränkt. Dabei sind Wetterverhältnisse, Sicht (Tag /Nacht) und Gewicht der Rangierabteilung die entscheidenden Faktoren um die Geschwindigkeit zu verringern.

    Es gib aber auch Ausnahme, wenn der Fahrdienstleiter dem Lokführer die Ansage macht, dass der Fahrweg frei ist. Dann ist die Geschwindigkeit 40 km/h. Das ist aber nur auf ausgesuchten Betriebstellen möglich. Diese Verfahren muss in den örtlichen Richtlinien vom Bahnhof festgelegt sein.Ist aber sehr selten!


    Gruß Roland ;)

  • Mahlzeit zusammen,



    die Geschwindigkeit von 40 km/h bei Ansage des freien Fahrweges hatte aber auch noch weitere Einschränkungen. Das Ziel der Fahrt musste ein Hauptsignal sein, es galt nur für einzeln fahrende Triebfahrzeuge oder wenn sich das Triebfahrzeug an der Spitze der Fahrzeugeinheit befand. Geschoben also niemals schneller als 25 km/h. Außerdem musste sich der Triebfahrzeugführer im Führerraum befinden. Also Funkfernsteuerung ist auch nicht zulässig. Daher wurde die Geschwindigkeit im Betrieb mit FFST technisch auf 25 km/h begrenzt.


    Rangierfahrten in einem Baugleis sind darüberhinaus auf 20 km/h begrenzt. Weiterhin gilt natürlich das auch in zuvor schon erwähntem Bahnhofsbuch weitere Einschränkungen gemacht werden konnten. Reisendenüberwege konnten zu sichern sein, andernorts auch Bahnübergänge oder aus Sichtgründen durfte eine niedrigere Geschwindigkeit nicht überschritten werden.


    Es können auch Einschränkungen der zulässigen Geschwindigkeiten in einer La oder (im Baugleis) in einer Betra vorgegeben werden, dass war früher so und ist heute auch so zulässig.


    Und "bis kurz vor dem Ansetzen" ist auch nicht definiert. Beim Rangieren ist die Geschwindigkeit so zu regeln, dass an der beabsichtigten Stelle, vor Halt zeigenden Signalen, vor Gefahrstellen oder vor Hindernissen angehalten werden kann. Ein Tf wird die 25 km/h sicherlich nicht so ausfahren dass er weiß, "ich brauche 75,48m zum anhaklten, ich beginne erst 75,49m vor dem Wagenzug mit bremsen...".


    Da lässt man das Tfz zunächst rollen, bremst frühzeitig ab und hält vor dem Beifahren an. Früher war das Gang und Gäbe, ich wäre vermutlich durch die Prüfug gerasselt wenn ich das nicht gemacht hätte. Heute wird es kaum noch vermittelt, die die es wissen halten sich vielfach nicht dran. Es hat aber einen ganz einfachen Grund, der steht nicht mal im Regelwerk. Ruhe reinbringen! Ich empfinde es als angenehmer aus 5m nochmal neu anzufahren dabei sachte mit Bremse und Leistung "spielen" um dann schön weich beifahren zu können.


    Der Spruch "Rangieren ist ein hörbarer Vorgang" muss nicht immer wörtlich in die Tat umgesetzt werden. Und "10m - 1m - Stop - Schade" wird i.d.R. auch nicht gern gesehen.


    Und in der Epoche III wäre der Rangierleiter ziemlich sauer gewesen, wenn er vor dem Anhängen unter den Puffern hätte durchkrauchen müssen. Da hat man als Tf besser angehalten, sonst hätte man einen schweren Stand gehabt. Wenn der Rl so ein alter Hase mit 35+x Dienstjahren auf dem Buckel war, der Tf so ein Jungspund der noch seine erste Indusirolle voll macht, ziehe ich durchaus mal ne Ohrfeige in Betracht wenn der alte sich unnötig hat bücken müssen.


    Ich habe übrigens mal einen Rangierer angebrüllt. Nach dem anhalten bleibt er bei der V60 im Rangiertritt stehen, als ich zum Beifahren wieder anfahre dreht er sich aus dem Rangiertritt heraus und hangelt sich aufrecht zwischen den Puffern in den Berner Raum. Hätte ich nicht sofort wieder gebremst, er hätte den folgenden Sonnenaufgang vermutlich nicht mehr erlebt.


    Viele Grüße

    Sebastian Woelk


    Und jetzt hoffe ich, mich vor meinem damaligen Ausbilder nicht zu blamieren:-) Der saust ab und zu hier auch im Forum umher... :)

  • Hallo Günter Wittwer,


    interessante Frage, die Du da aufgeworfen hast! Du hast viele richtige Antworten bekommen, zu denen ich aber noch etwas ergänzen möchte.


    Thema "Fahren auf Sicht":

    Die Geschwindigkeit beim Rangieren ist, ein Fahren auf Sicht.

    Da bei der Eisenbahn der Terminus "Fahren auf Sicht" fest definiert ist und nur bei Zugfahrten Anwendung findet, trifft dieser Begriff auf den Rangierdienst nicht zu. Zugegeben, das liest sich für Außenstehende wie Wortklauberei, aber für Berufseisenbahner ist die Unterscheidung schon wichtig. Grund für diese Unterscheidung ist, dass der Triebfahrzeugführer mit dem Begriff "Fahren auf Sicht" ein ganz bestimmtes Verfahren mit erweiterten Verhaltensregeln versteht und dieses Verfahren nur bei Zugfahrten Anwendung findet. Bei einer Zugfahrt ist bspw. beim Fahren auf Sicht eine Geschwindigkeit zwischen Schrittgeschwindigkeit und 40 km/h zu wählen, die es dem Triebfahrzeugführer erlaubt, mit seinem Zug jederzeit vor einem Hindernis im Fahrweg sicher anzuhalten. Im Rangierdienst ist die Geschwindigkeit, wie vauhundert das richtig zitierte, ähnlich definiert, aber die höchst zulässige Geschwindigkeit beträgt im Rangierdienst eben nur 25 km/h (Ausnahmen mal außer Acht gelassen), sodass der Begriff "Fahren auf Sicht" im Rangierdienst nicht verwendet werden darf, um Verwechselungen vorzubeugen. Das nur als Info und deswegen "Klugscheißmodus" wieder aus! Im Modell ist klar geworden, dass langsamer rangiert werden muss als der Zug auf der Strecke fährt. Und wer sich dafür interessiert, wie schnell 25 km/h im Modell umgerechnet wirklich sind, dem sei der Bericht von Ole über den selbstgebauten Tachowagen an anderer Stelle hier im Forum empfohlen.


    Thema "Beifahren":

    Es gab sogar Wagenbauarten, bei denen im Rangierdienst vorgeschrieben war, dass vor dem Beifahren anzuhalten und neu anzufahren war. Das waren sogenannte Vorsichtswagen, die im Rangierdienst gesondert zu behandeln waren. Vereinfacht gesagt waren das mit Personen besetzte Wagen, Triebfahrzeuge, Wagen mit Gefahrgut und Wagen, die mit Fahrzeugen beladen sind. Der Kenner des Vorbilds hält also vor diesen Wagen an, bevor er langsam beifährt.


    Sebastian Woelk: Du hast Dich vor Deinem Ausbilder sicher nicht blamiert, denn das stimmte alles, was Du geschrieben hast! Anmerkung: Ich war nicht sein Ausbilder, ich habe die Lehrtätigkeit im Bahnbetrieb 1998 abgelegt ;)


    Freundliche Grüße

    EsPe


    Nachsatz: Wem meine Ausführungen nun wieder zuviel Klugscheißerei war, der ist herzlich eingeladen, den Daumen nach unten zu vergeben und dann die Ignorier-Funktion zu nutzen. Aber hier wurde eine Frage gestellt, die ich gerne beantworte und da bin ich es fast schon gewohnt, dass der Daumen runter und die Beleidungen per PN über die Klugscheißerei kommen (nicht vom Fragesteller)...

  • Hallo in die Runde,


    und schon mal vielen Dank für die aussagekräftigen Antworten - für die von Sebastion hätte auch ein ^^ gepasst, aber das wäre nicht wertig genug gewesen.

    Für mich ist zumindest soviel klar, ich muss nicht mit Schrittgeschwindigkeit fahren, und dass ich eine im Vergleich zu "normalen" Zugfahrten geringere Geschwindigkeit wähle, auch. Wobei ich allerdings auch bereits mit langsamer Geschwindigkeit in den Bahnhof reinrolle - Strecke habe ich ja praktisch nicht.

    Deshalb möchte ich etwas differenzieren zwischen den unterschiedlichen / möglichen "langsam".


    Somit noch zur Verdeutlichung nachgehakt: Gilt das "Umsetzen" bei einem Personenzug als Rangierfahrt? Ich denke ja - aber was sagen die Fachleute?


    LG

    Günter

  • Hallo Günter,



    Rangieren ist das Bewegen von Fahrzeugen außer das Fahren von Zügen:-) Soweit das Regelwerk. Es gibt also im Grundsatz nur eine Unterscheidung zwischen Zug- und Rangierfahrten. Und Sperrfahrten (zur Bedienung einer Awanst) sind Zugfahrten.


    Ich nehme mal nur dieses trockene Vorschriftendeutsch - das dürfte eigentlich alles ausdrücken.



    Viele Grüße

    Sebastian Woelk

  • Hallo Günter und die Anderen,


    wenn man die Frage an sich so stellt wie Du, "Gilt das "Umsetzen" bei einem Personenzug als Rangierfahrt?", dann könnte man sie mit einem einfachen Ja beanworten.


    Heute morgen hatte ich nicht so die Zeit um ins Detail zu gehen, weswegen ich mich wohlweislich im wesentlichen auf das Einstellen der Scans beschränkt habe;-)


    Deine Frage ist aber eigentlich nicht ganz einfach zu beantworten ohne sie auseinander zu nehmen, weil sie aufzeigt, dass Du von nicht ganz richtigen Ausgangspunkten ausgehst. Insofern fange ich hier auch mal kurz das "Klugscheißen" an, das wie EsPe schon richtig formulierte, hier aus bestimmten Richtungen mit "Schlägen" zu rechnen ist. (Ein Grund warum ich hier nicht so oft schreibe)


    In der oben zitierten Vorschrift gab es den §3 mit den Begriffserklärungen, in dem die betrieblich relevanten Begriffe klar definiert wurden.

    Deinen obigen "Personenzug" zerpflücken wir mal als erstes. ;)


    §3 (16) Einteilung der Fahrzeuge; Die Fahrzeuge werden entsprechend ihrer Zweckbestimmung nach Regelfahrzeugen und Nebenfahrzeugen unterschieden.


    §3 (17) Regelfahrzeuge; Die Regelfahrzeuge werden nach Triebfahrzeugen und Wagen unterschieden. Sie müssen den Bauvorschriften der EBO entsprechen und dürfen in Züge eingestellt werden oder selbstständig als Züge fahren.


    Also, hat Dein "Personenzug" ein Triebfahrzeug und Wagen aus Regelfahrzeugen gebildet und geht auf die freie Strecke über, dann kann er ein "Zug" werden oder wie in Deinem Fall, von der Strecke in den Bahnhof gekommen sein, denn . . .


    §3 (21) Züge; Züge sind die auf die freie Strecke übergehenden, aus Regelfahrzeugen bestehenden, durch Maschinenkraft bewegten Einheiten und einzelnen Triebfahrzeugen. (Den Nachsatz mit den Triebwagen spare ihc mir hier mal abzutippen)



    Ist Dein Personenzug ist also gerade in seinem Endhalt (!) angekommen, so ist er dann kein Zug mehr. Die Lok umfährt als Rangierfahrt die Wagen und wird dann ggf. nach dem Ankuppeln ein neur Zug. (Ausnahme wäre in einer Spitzkehrensituation, wo der Wagenpark zum Kopfmachen umfahren wird, wobei die Lok trotzdem wieder eine Rgf wäre.)


    Bewegt Deine Lok den Wagenpark nun in eine Abstellung, so ist auch dort der "Personenzug" kein Zug, sondern eine Rangierabteilung.

    Überhaupt ist die "landläufige" Einteilung der Züge in Personen- und Güterzüge, doch etwas anders im Eisenbahnbetrieb, denn dort gibt es nur die Unterscheidung in Regelzüge, Sonderzüge, Bedarfszüge, Wendezüge und Sperrfahrten.


    Bin zu faul das auch alles abzutippen, daher:




    Wie EsPe schon richtig schrieb, ist das für Außenstehende eine Wortklauberei, aber für Berufseisenbahner ist die Unterscheidung schon wichtig und kann Leben retten ;) Zu meiner Ausbildungszeit, die zumindest schon so lange (ab Februar 1988) zurückliegt, das die meisten meiner Ausbilder schon anders auf mich herabblicken werden, wurde nicht umsonst gesagt, dass diese Fahrdienstvorschrift mit Blut und Tränen geschrieben worden ist.


    Beste Grüße aus dem Bergischen


    Michael, der sich schon gedacht hat zu langsam zu sein... ;)

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  • Hallo zusammen,


    damit ich die FV wieder wegstellen kann, hier noch die anderen Seiten zum Rangierdienst:



    Eigentlich könnte man das Teil auch mal einscannen und ein pdf draus machen, wobei es das vielleicht schon gibt, aber dazu fehlt leider die Zeit.


    Beste Grüße aus dem Bergischen


    Michael

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  • Hallo Günter,


    der Vorschriften (Worte) sind genug gewechselt. Ich kann nur meinen gefühlsmässigen Eindrücken Ausdruck geben, das ist aber sooo schräg auch wieder nicht und setzt, wie Vorschreiber schon angedeudet haben, die ein oder andere "Vorschrift" augenzwinkernd ausser Kraft:


    Für meine Wahrnehmung "donnern" die, ohne eine bestimmte Geschwindigkeit nennen zu können, ganz schön durch die Rangiergleise (Z. B. Nbg. und MUC). Sogar bei der JHMD (Schmalspur in CS) wird´s einem manchmal komisch, wenn die am Personenbahnsteig rangierender Weise vorbeidonnern und dann die Bremse kurz vor dem Ankuppeln "`reinhauen wie die Sau". Die an der Rangierstange hängenden, mitfahrenden Rangierer scheint das aber in keiner Weise zu jucken und die springen, auch wenn die Lok noch ziemlich Tempo hat, fröhlich auf und ab.


    Also zu langsam und ggf. behutsam braucht man m. E. nun auch wieder nicht zu rangieren.

    Gruss
    Robert
    BTB0e+0

    Edited 2 times, last by BTB0e+0 ().

  • Hallo Leute,


    absolut interessantes Thema, vor allem für die vielen Nichteisenbahner hier im Forum (wie z. B. mich)! Dabei habe ich zur Bemerkung von Vauhundert

    Ist Dein Personenzug ist also gerade in seinem Endhalt (!) angekommen, so ist er dann kein Zug mehr. Die Lok umfährt als Rangierfahrt die Wagen und wird dann ggf. nach dem Ankuppeln ein neur Zug. (Ausnahme wäre in einer Spitzkehrensituation, wo der Wagenpark zum Kopfmachen umfahren wird, wobei die Lok trotzdem wieder eine Rgf wäre.)

    prompt drei Fragen:

    a) Ein seinen Endbahnhof erreichender Zug darf demnach nur mit 25 km/h in den Bahnhofsbereich einfahren?

    b) Darf ein Zug, der einen Bahnhof für einen Halt erreicht und danach weiter fährt, schneller fahren? (also auch in einer Spitzkehre?)

    c) Darf ein Zug, der ohne Halt durch einen Bahnhof fährt, so schnell wie möglich rsp. wie signaltechnisch angezeigt fahren?


    P.S.: Den Fragen nach zu urteilen, ist vermutlich ein Beamter an mir verloren gegangen 8o.

    Übrigens kann ich mich tierisch darüber ärgern, wenn Züge in Modellvideos mit irren Geschwindigkeiten durch Bahnhöfe und Kurven gejagt werden ...

  • a) Ein seinen Endbahnhof erreichender Zug darf demnach nur mit 25 km/h in den Bahnhofsbereich einfahren?

    b) Darf ein Zug, der einen Bahnhof für einen Halt erreicht und danach weiter fährt, schneller fahren? (also auch in einer Spitzkehre?)

    Mahlzeit Reinhold,



    das Kriterium ist immer der Halt. Eine Zugfahrt kommt von der freien Strecke in den Bannhof, dort ist er immer noch die gleiche Zugfahrt. Hat er dann gehalten, dann ist er keine Zugfahrt mehr.


    Ist es ein Bahnhof mit mehreren sog. gewöhnlichen Halteplätzen, dann gilt immer der letzte. Da es quasi mein Heimatbahnhof ist, Schwetzingen mit dem Bahnhofsteil (und Haltepunkt) Oftersheim im gleichen Bahnhof ist hier ein gutes Beispiel.


    Auch gilt eine Geschwindigkeitseinschränkung durch Signal Hp2 oder durch eine mit Hp1/Hp2/Ks1/Ks2 i.V.m. Zs 3 (zum Beispiel "6" für 60 km/h) immer im anschließenden Weichenbereich. Dieser definiert sich bei Fahrt auf ESig/ZSig bis zum nächsten Hauptsignal oder einem eventuell davorliegenden, gewöhnlichen Halteplatz. Gibt es mehrere davor liegende gewöhnliche Halteplätze so ist immer der letzte maßgeblich. Ob für einen Zug nun ein Bahnsteig maßgeblich herangezogen werden darf, dass steht im Fahrplan. Hat der Zug dort keinen Planhalt, so ist es auch kein gewöhnlicher Halteplatz. Der gewöhnliche Halteplatz eines Güterzuges zum Beispiel ist immer das Hauptsignal.


    Die Situation in welcher das Triebfahrzeug umfährt. Die Fahrt wird ja nicht mit Hauptsignal zugelassen.


    Aeten der Zustimmung zur Rangierfahrt: Auf Signal Sh1 (Ra 12 im DV-Gebiet) am Hauptsignal, Durch Sh 1 (Ra 12) am Lichtsperrsignal oder am Wartezeichen "Willy"... Durch mündliche Zustimmung oder auch durch hochhalten eines Armes, bei Dunkelheit hochhalten einer weißen Leuchte. Hatte es auf anderem Wege die Tage erst mit EsPe, früher war auch das Rangiersignal "Herkommen" zulässig. Manche alte Fdl/Ww machen das heute noch. Steht ein Hauptsignal am Gleis, Rangiersignal geht nicht, dann geht es nur mündlich! Das Hochhalten eines Armes ist auch nur zulässig wenn es zweifelsfrei ist. Stehen also 2 nebeneinander - ??? Dann besser nicht. Irgendwie mit den Fingern die Gleisnummer zeigen und Arm hochhalten - nene, passt nicht ganz...


    Wird aber eine beabsichtigte Rangierfahrt durch einen schräg stehenden Signalflügel oder gar ein grünes Licht am Hauptsignal angezeigt... ähm, da bleiben wir leider mal stehen, da kann was nicht stimmen.


    Ich habe grad wieder den Gedanke, ich könnte ja mal "Praktikumsplätze" bieten... aber wie lange soll denn das dauern bis ich allen ein Angebot gemacht habe? Um Himmels Willen, das wäre eine Lebensaufgabe. Der eine oder andere wäre aber sicher froh darüber...


    Die ganze Thematik ist sehr umfangreich, lässt sich auch nicht ansatzweise in solch einem Forum behandeln. Deswegen liegt ja die Ausbildungsdauer je nach Zusatzqualifikationen und nach Anzahl und Schwierigkeitsgrad der Fahrzeuge mittlerweile wieder bei 9 bis 13 Monaten. Daher schäme Dich nicht für Fragen, wenn du Angst hast das sie vielleicht zu tiefgründig sein könnten und keinen weiter interessieren, gerne auch per PN. Vorzugsweise aber hier im Beitragsfaden. Ich versuche gerne zu helfen.



    Viele Grüße

    Sebadtian Woelk

  • Hallo Reinhold,


    dann lass mich als Bundesbahn-Beamter Dir als verlorenem Beamten ;) mal antworten.


    Also, Deine Fragen sind schon berechtigt, denn für einen Außenstehenden ist da manches nur schwer nachvollziehbar.


    Vorab: Züge fahren im Bahnhof auf einem auf Freisein geprüften Fahrweg, der signaltechisch festgelegt ist und mit Flankenschutz versehen ist. Rangierfahrten haben einen Fahrweg im Bahnhof, der diese Eigenschaften nicht aufweist - vereinfacht gesprochen. Daraus resultieren die angesprochenen Unterschiede.


    Im Detail:

    Fahrweg: Der Fahrweg eines Zuges beginnt an einem Hauptsignal und endet am Ende des Durchrutschwegs hinter dem nächsten Hauptsignal

    Rangierfahrt: Der Fahrweg beginnt an der Rangierfahrt und endet an der beabsichtigten Stelle, also überall im Bahnhof.


    Freisein des Fahrwegs:

    Der Fahrweg eines Zuges mit seinem Durchrutschweg sowie den einmündenden Gleisabschnitten bis zum Grenzzeichen muss vor Zulassung der Zugfahrt im Bahnhof auf Freisein geprüft sein und darf nur durch den Zug selber besetzt werden. Deswegen kann ein Zug schneller fahren als der Lokführer gucken kann - die Prüfung auf Freisein wird im Stellwerk vorgenommen.

    Der Fahrweg einer Rangierfahrt wird nicht vor der Zulassung der Rangierfahrt auf Freisein geprüft, diese Prüfung muss der Lokführer während der Rangierfahrt selber machen und seine Geschwindigkeit entsprechend anpassen.


    Flankenschutz:

    Das sind Einrichtungen, die verhindern, dass einem Zug etwas in die Seite fährt oder von vorne entgegenkommt. Dazu können Weichen, Gleissperren und auch Signale verwendet werden. Ob diese Flankenschutzeinrichtungen richtig stehen, wird bei Zugfahrten im Stellwerk geprüft.

    Bei Rangierfahrten gibt es keinen Flankenschutz, der Lokführer der Rangierfahrt muss selber während der Fahrt prüfen, ob die einmündenden Gleisabschnitte seines Fahrwegs bis zum Grenzzeichen frei sind und dass seiner Rangierfahrt nichts entgegenkommt.


    Festgelegter Fahrweg:

    Bei Zugfahrten wird der richtig eingestellte und auf Freisein überprüfte Fahrweg im Stellwerk signaltechnisch festgelegt und diese Festlegung kann im Regelfall erst aufgelöst werden, wenn der Zug den Fahrweg geräumt hat.

    Bei Rangierfahrten gibt es in der Regel keinen festgelegten Fahrweg, die Weichen werden einfach in die benötigte Stellung gelegt und nicht gesichert.


    Signaltechnische Sicherung:

    Im Stellwerk wird sichergestellt, dass der Fahrweg eines Zuges mindestens so lange gesichert ist, wie das Hauptsignal am Beginn des Fahrwegs auf Fahrt steht. Der Lokführer eines Zuges kann sich darauf verlassen, dass sein Fahrweg, wenn er an einem fahrtzeigenden Hauptsignal vorbei fährt, bis zum nächsten Hauptsignal einschließlich Durchrutschweg hinter diesem Hauptsignal frei ist, Flankenschutz besteht, ihm also keiner in die Seite fahren kann oder von vorne kommt und dass alle Weichen richtig stehen.

    Beim Rangieren gilt das alles nicht, der Lokführer muss selber prüfen, ob sein Weg frei ist, ihm nichts in die Quere oder von vorne kommt und er sieht während der Fahrt, wie weit er fahren kann.


    Zusammengefasst:

    Du siehst, dass für Zugfahrten ein höherer Aufwand beim Einstellen des Fahrwegs getrieben wird und der Anspruch an diesen Fahrweg sehr hoch ist. Nur so kann ein Zug so schnell fahren (ICE derzeit bis 300 km/h), denn der Bremsweg eines Zuges kann bis zu mehreren Kilometern betragen und so weit kann kein Lokführer gucken und prüfen, ob der Fahrweg für seinen Zug frei ist. Obwohl das Einstellen des Fahrwegs, das Prüfen des Fahrwegs, das Sichern des eingestellten Fahrwegs und das Auf-Fahrt-Stellen des Hauptsignals Aufgabe des Stellwerks und seiner Bediener ist, muss der Lokführer eines Zuges dennoch aus dem Fenster gucken, um die Signale wahrzunehmen und darauf zu reagieren und ggf. beim Erkennen einer Gefahr am oder im Fahrweg zu reagieren.

    Beim Rangieren hingegen muss der Lokführer prüfen, ob die Weichen richtig gestellt sind, der Fahrweg frei von Hindernissen ist, ihm nichts in die Quere kommt und und und.


    Aus diesen Unterschieden resultieren die unterschiedlichen Geschwindigkeiten und die unterschiedlichen Vorgehensweisen.


    Ich möchte, bevor ich auf Deine Fragen konkret eingehe, noch darauf hinweisen, dass bei Spurplanstellwerken und bei elektronischen Stellwerken die Fahrwege der Rangierfahrten auch stellwerksseitig festgelegt werden, die Weichen also gesichert werden. Das betrifft aber nur die Fahrwegweichen, nicht die Flankenschutzweichen.


    So, nun zu Deinen Fragen:

    a) Nein, auch ein in einem Bahnhof endender Zug hat einen Einfahrweg, der auf Freisein geprüft wurde, gesichert und festgelegt ist und nur für diese Zugfahrt vorgehalten wird. Dementsprechend darf der Zug entsprechend des Signalbilds am Hauptsignal, also schneller als 25 km/h, einfahren. Wenn es keine abzweigenden Weichen im Fahrweg gibt und der Fahrweg nicht auf einen Prellbock führt, kann es sein, dass das Signal dann Hp 1 zeigt, obwohl der Zug im Bahnhof endet.


    b) Ein Zug, der aus einem Bahnhof ausfährt (egal in welche Richtung), fährt auch wieder auf einem gesicherten Fahrweg mit einem fahrtzeigenden Hauptsignal, welches ihm die zulässige Geschwindigkeit vorgibt.


    c) Ein durchfahrender Zug darf so schnell fahren, wie es ihm die Hauptsignale anzeigen, maximal jedoch so schnell, wie es im Fahrplan angegeben ist und durch die Fahrzeugbauart zugelassen ist.


    Das waren die Antworten, die nun sicher weitere Fragen aufwerfen, zum Beispiel wie schnell nun konkret gefahren werden darf.


    Also, fangen wir mit Hp 1, ein nach rechts oben zeigender Flügel, bei Nacht oder am Lichtsignal ein grünes Licht, an: Dieses Signalbild beinhaltet keine Geschwindigkeitsbeschränkung, also gilt die kleinste der nachfolgenden Geschwindigkeiten, die entweder im Fahrplan für diesen Zug steht, die durch die Fahrzeugbauarten im Zug bedingt ist oder die durch Zusatzsignale oder Langsamfahrsignale am Fahrweg angezeigt wird. Hp 1 wird bei Geschwindigkeit von 70 km/h oder mehr verwendet.


    Das nächste Signalbild ist Hp 2, zwei nach rechts oben zeigende Signalflügel, bei Nacht oder am Lichtsignal ein grünes Licht direkt über einem gelben Licht: Dieses Signalbild bedeutet Langsamfahrt und beinhaltet die grundsätzliche Geschwindigkeitsinformation 40 km/h. Dieses Signalbild wird gezeigt, wenn die Zugfahrstraße Weichen beinhaltet, die abzweigend befahren werden sollen. Es gibt aber auch Weichen, die so lang sind, dass sie abzweigend mit mehr als 70 km/h befahren werden können - bei diesen würde dann wieder Hp 1 angezeigt werden. Die Geschwindigkeit von 40 km/h bei Hp 2 kann im Fahrplan auf bis zu 60 km/h angehoben sein, ohne dass das am Fahrweg angezeigt wird. Das steht dann nur im Fahrplan.


    Wenn der Fahrweg in den Bahnhof auf einen Prellbock führt, dann fehlt der Durchrutschweg und deswegen muss der Zug noch langsamer in den Bahnhof einfahren. Auch wenn der Zug dann eventuell keine abzweigende Weiche befahren müsste, wird in so einer Situation Hp 2 gezeigt und wegen des fehlenden Durchrutschwegs gibt es dann am Hauptsignal mit Hp 2 oder bei einem langen Einfahrweg irgendwo am Einfahrweg ein Zusatzsignal Zs 3 mit der Anzeige einer niedrigeren Geschwindigkeit. Das ist dann eine schwarze, dreieckige Signaltafel mit einer weißen 2 oder 3 drauf für 20 km/h oder 30 km/h.


    Das war mit einfachen Worten der Versuch, Deine Fragen zu beantworten. Versuchen wir mal eine Zusammenfassung für Modellbahner:

    - aus dem Bahnhof auf die freie Strecke oder umgekehrt verkehren nur Züge mit 40 km/h oder mehr (je nach Hauptsignalstellung).

    - Einfahrten von der freien Strecke auf einen Prellbock nur für Züge und immer mit Hp 2 und weniger als 40 km/h

    - Fahrten im Bahnhof sind immer Rangierfahrten, egal ob mit einer Zuggarnitur oder nur mit Lok

    Rangierfahrten fahren nicht mit Hp 2 oder Hp 1 und maximal 25 km/h schnell, eher langsamer.


    Noch was: Der Fahrdienstleister kann nicht aussuchen, ob er Hp 1 oder Hp 2 zeigt! Das Signalbild gehört zum Fahrweg und wird durch den Verschlussplan des Stellwerks vorgegeben. Deswegen wird in einem Gleisbildstellwerk oder einem elektronischen Stellwerk nur mit einem grünen Licht angezeigt, ob das Signal einen Fahrtbegriff zeigt - ob es Hp 1 oder Hp 2 zeigt, wird dem Fahrdienstleiter nicht angezeigt!


    Ich hoffe, das war nachvollziehbar - ansonsten gerne weiterfragen, hier oder per PN (damit das hier nicht langweilt).


    Viele Grüße

    EsPe


    Nachsatz nach Publish: Da war ich wieder zu langsam, habe mich aber auf eine einfache Beschreibung eingelassen, die nachvollziehbar sein sollte. Sebastian Woelk hat mit seinen Ausführungen Recht, aber die Ausweitung auf andere Hauptsignalsysteme (Ks-Signale, Hl-Signale) erschienen mir zu verwirrend und es wurde nicht gefragt, wie eine Rangierfahrt Zustimmung des Stellwerks zur Rangierfahrt erhält. Hier muss auch differenziert werden, welche Zeit gefragt ist! Sebastian Woelk hat die Jetztzeit mit seinen Regelungen richtig geschildert, aber noch vor 24 Jahren gab es andere Regeln, die erst seit 1984 gültig waren, davor waren es andere Regeln, so dass man fast sagen kann, dass man je nach Epoche unterscheiden muss, wie mit den Rangierfahrten umzugehen ist. Das passt aber nicht zu Reinholds Fragen und wäre Grund für einen anderen Beitrag...

    Spur 0 - was sonst?

    Edited once, last by EsPe ().

  • Hallo EsPe und die anderen


    ein Glück das ich vorhin noch auf der großen Eisenbahnplatte spielen musste und EsPe mir rein zeitlich und mengenmäßig ebenso wie Sebastian Woelk zuvorgekommen sind. Damit kann ich mich nun dezent zurücklehnen.


    Tatsächlich finde ich fast am wichtigsten, was EsPe im Anschluss geschrieben hast, denn die Sache mit dem Zeitraum der jeweils gestellten Frage ist schon sehr wichtig! So ist es eben auch, zumindest gefühlt, teilweise nicht ganz so einfach, das hoffentlich vorhandene derzeit aktuelle Wissen, welches zur Berufsausübung notwendig ist, zur Beantwortung von Fragen auszuklammern, die das alte Wissen erfordern, welches teilweise schon wieder zu verblassen droht oder welches sich schon wieder it Sachverhalten vermischt, die noch ein paar Zeiträume eher stattgefunden haben.


    Insofern danke an EsPe für die gleichzeitig gehaltsvollen, wie überschaubaren Erklärungen, für die ich als "Nur-User" erheblich länger gebraucht hätte, denn als proffessioneller "Erkär-Bär". ;)


    Beste Grüße und Dank aus dem Bergischen


    Michael

    Preiswerte Dienstleistungen im Bereich spurgebundener Flurfördermittel aller Art und feinster Güte.


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