Liebe Spur 0 Freunde,
seitdem ich in diesem Forum unterwegs bin, habe ich den Eindruck, dass das Thema 'Altern' oder 'Alterung' hin und wieder wie ein Orkan auf die ohnehin schon geplagte Modellbauer-Seele einpeitscht und dem einen oder anderem regelmässig ein 'schlechtes Gewissen' beschert.
Da lese ich dann Kommentare wie "wenn du das jetzt noch 'richtig schön' alterst, dann ... " oder, wie kürzlich in Thomas' Beitrag über seine Schotter-Verladeanlage Bischofsheim, "Und der Lkw schreit auch nach Farben, Pigmenten und etwas Rost" ... Und oft folgen dann mit schöner Regelmässigkeit auch noch die entsprechenden, natürlich immer nur gut gemeinten, Tipps wie "ich nehme dazu ja immer die Farben oder Pigmente von XYZ, etc., etc. ... " oder Hinweise, dass sich für dieses oder jenes Alterungsprojekt die ABC-Pulverfarben oder der gemeine Kreide-Staub oder -Abrieb am besten bewährt haben ...
Ich gestehe, dass ich als offensichtlicher 'Youngster' in diesem erlesenen 0-Zirkel zunächst ein 'richtig schlechtes Gewissen' bis hin zu regelrechten Einschlafschwierigkeiten hatte. Schliesslich hatte ich ja vor, für unsere Berliner Enkel eine Modellbahn-Anlage zu bauen "comme il faut", wie es gemäss SNM und SNM-Forum "Stand der Technik" ist ... Gleichzeitig hatte ich aber auch Kommentare im Ohr wie "jetzt hast du dein Modell aber richtig schön versaut ... " - wenn jemand beim Altern übertrieben hatte. Und je mehr und je länger ich darüber nachdachte, hatte ich den Eindruck, hier eine Wahl zwischen Scylla und Charybdis oder zwischen Pest und Cholera treffen zu müssen ...
Vor einiger Zeit dann ist dieser Knoten geplatzt. In den Herbstferien waren unsere Enkel Annika und Moritz zu Besuch in Ettlingen und haben Stunden lang mit grosser Hingabe mit ihrer 'Moritzbahn' und all den Gebäuden aus dem Projekt "Spurensuche" gespielt, während ich hin und wieder die Gebäude und den Fuhrpark auf Schiene und Strasse durch die 'Alterungs'-Brille gemustert habe "sollte ich hier vielleicht, und da besser doch nicht?"
Und dann war da auf einmal die Erinnerung, wie in den 1950ern die ersten stolzen Autobesitzer an den Wochenenden hingebungsvoll und mit grossem Aufwand ihre Autos gewaschen und poliert haben - es war ja nicht zuletzt eine Frage der Wert-Erhaltung! Diesen Aspekt der Wert-Erhaltung habe ich aber auch später immer wieder beobachtet, nachdem ich 1964 (gegen Ende der Epoche 3) meine Ausbildung bei der DB begonnen hatte - da wurden Reisezugwagen gewaschen, da wurden Roststellen an P- und G-Wagen behandelt und Farb- und Lackschäden ausgebessert, und zwar oft genug auch vor Ablauf von Revisionsfristen - es galt einfach, das Unternehmens-Vermögen in gutem Zustand zu erhalten. Und das galt natürlich für das gesamte Rollende Material, also auch für die Triebfahrzeuge, umso mehr, als der Krieg für einen enormen Schwund bei der Bahn-Infrastruktur gesorgt hatte ...
Wie gesagt - der 'Alterungs'-Knoten ist jetzt (bei mir) ein für alle Mal geplatzt: die nach der HU oder Revision im AW aufgearbeitete und frisch lackierte Lok wird vor den kleinen Güterzug gespannt, der aus gerade drei, vier in die Jahre gekommenen Wagons besteht, aber halt - da wird gerade noch ein fabrikneuer, leerer Wagon angekuppelt - die Bahn kann endlich wieder auch in neue Fahrzeuge investieren ... ! Und an dem neuen VW-Export am Wohnhaus gegenüber der Ga werden nach der Wochenendwäsche die Chromleisten auf Hochglanz poliert - nur gut, dass die Gipser und Maler, die noch Kriegsschäden am Haus ausbessern und dem Putz einen neuen Anstrich verpassen, Samstag Mittag pünktlich Kelle und Pinsel haben fallen lassen, so dass das Stunden lange Wienern und Polieren des VW-Export nicht schon am nächsten Tag wieder 'für die Katz' gewesen ist ...
Fazit: das schöne Hobby, das wir hier betreiben, kann durchaus auch etwas Farbe ausser rostbraun und altersgrau vertragen - wie in der Wirklichkeit!
Mit den besten Grüssen
Dieter